Filmstart: BAD BOY KUMMER

Filmstart: BAD BOY KUMMER

Tom Kummer ist der Star der gefälschten Interviews. Seine Spezialität war Hollywood. Er traf Sharon Stone, Sean Penn oder Bruce Willis zu langen, ernsthaften Gesprächen, die alle erfunden waren. Vier Jahre lang belieferte Kummer das SZMagazin und andere seriöse Blätter in Deutschland und der Schweiz, bis er aufflog. Zur Galerie >>

Heute arbeitet er als Tennislehrer in Los Angeles. Kummer hat alle über den Tisch gezogen: Die Medien, die Stars, und vielleicht sich selber. Ein Film über das weggeworfene Leben eines grossen Talents. Und über die Frage, was Wahrheit ist. Ein erregender und schillernder Dokumentarfilm, ein Stück Popkultur, in dem Wirklichkeit und Unwirklichkeit verschmelzen.

Regie: Miklós Gimes
Genre: Kinodokumentarfilm
Produktionsland: Schweiz / Deutschland 2010
Länge: 92 Min.

Kinostart ist der 05. Mai 2011.

Warum und wie ich diesen Film gemacht habe
von Miklós Gimes

Tom Kummer, einer der grössten Schwindler der deutschsprachigen Mediengeschichte, hat in den Neunzigerjahren eine Reihe erfundener Interviews mit Filmstars und Rockmusikern veröffentlicht; Leuten wie Sharon Stone, Sean Penn, Nicholas Cage oder Courtney Love. Er sprach mit ihnen über Sex und Drogen, über Langeweile und Einsamkeit. Die gross aufgemachten Artikel lieferte er an renommierte Blätter wie dem “Süddeutsche Zeitung Magazin” und dem Zürcher “Tages-Anzeiger Magazin”. Kummer’s Interviews waren Kult. Der deutsche Taschenbuchverlag machte aus den besten Gesprächen ein Interviewbuch. Dann ist Kummer aufgeflogen und das Buch musste aus den Regalen genommen werden.

Ich war stellvertretender Chefredaktor des “Tages-Anzeiger Magazins”, als Kummer für uns zu schreiben begann. Mein Chefredakteur hiess René Bortolani. 1997 hat Roger Köppel von uns die Leitung des Blattes übernommen. Zwei Jahre später ist Kummer entlarvt worden. Für uns vom “Tages-Anzeiger Magazin” gab
es keine Konsequenzen, aber Ulf Poschardt und Christian Kämmerling, die beiden Chefredaktoren des Magazins der “Süddeutschen Zeitung”, wurden entlassen. Seither ist Kummer als Journalist erledigt. Er lebt als Tennislehrer in Los Angeles, mit seiner Frau und zwei Kindern. (Genauer: Er ist Coach für Kleinfeldtennis, das in
Kalifornien gespielt wird, um sich fit zu halten.)

Ich hatte Kummer nach seinem Fall aus den Augen verloren und wurde erst wieder neugierig auf ihn, als 2007 seine Autobiografie mit dem Titel “Blow up” erschien. Es fiel auf, dass er keine Reue zeigt. Nicht einmal die beiden Kollegen, die seinetwegen entlassen worden sind, tun ihm wirklich leid. Denn aus Kummers Sicht sieht sein Fall ganz anders aus. Er ist es, der fallengelassen wurde. Was ist los mit diesem Menschen, fragte ich mich. Ist er ein klassischer Hochstapler? Oder eine tragische Figur? Hat er seine Karriere zerstört aus einem Antrieb, der stärker ist als er? Diesen Fragen bin ich in diesem Film nachgegangen.

Tom Kummer wuchs in den Sechzigerjahren in Bern auf. Mittelständisches Milieu, der Vater starb früh. Mit zwanzig wanderte er nach Berlin aus und entdeckte das Schreiben. Wurde bei “Tempo” angestellt, dem angesagtesten Magazin der frühen Neunzigerjahre, und startete eine fulminante journalistische Karriere. Machte extreme Sachen, immer an vorderster Front, recherchierte in Elendsvierteln und im Drogenmilieu.

1993 ist Kummer mit seiner Freundin nach Los Angeles ausgewandert und begann mit den berüchtigten Starinterviews. Wenn man die Texte liest, stellt man fest: Sie handeln im Grunde genommen von ihm selber. Von seiner Einsamkeit und der Suche nach dem Sinn des Lebens. Mit der Zeit werden sie immer verwegener und abgehobener. Er erfindet jetzt alles, auch Portraits und Reportagen, bis er aus eigener Nachlässigkeit auffliegt.

Das ist der Lebenslauf, den ich im Film mit Kummer nochmals abgeschritten bin, in Bern, Zürich, Berlin, Hamburg, München, Los Angeles. Ich habe gemerkt, dass der Fall Kummer immer noch vermintes Gebiet ist. Seine früheren Chefs wollen von ihm nichts mehr wissen. In ihren Augen ist Kummer ein notorischer Betrüger oder im besten Fall eine irre Figur, die den Boden unter den Füssen verloren hat. Auf unserer Reise in die Vergangenheit habe ich Tom Kummer immer wieder mit meinen Fragen konfrontiert. Ich machte die klassische Erfahrung des Journalisten: Es ist schwierig, die letzte Wahrheit zu erfahren. Außer man hilft ihr etwas nach.

Text/Foto: © W-film Distribution

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